Blog-Eintrag Nr. 1

Danke. Nein ehrlich. Vielen Dank an die ganzen Home-Officers, die in der Corona-Zeit fein säuberlich und schön deutsch abends auf dem Balkon jeden einzelnen Klatscher mit- und ihrem Karmakonto gutschreiben. Nur um nach der Pandemie ebenso säuberlich die Helden, denen sie bis gerade noch zugejubelt haben wieder nicht einmal mit dem schlecht abgewischten Arsch anzuschauen.

Ganz ehrlich: Wir sind doch an einem Punkt, an dem theoretisch jeder lange genug zuhause sitzen und darüber nachdenken konnte, wie unterbezahlt die (ach, ich sage es doch so gerne) Helden sind, die vor, während und nach der Pandemie Tag für Tag den Job machen, dessen Wichtigkeit zwar niemand jemals leugnen, den aber dennoch kaum einer freiwillig machen würde. Denn für den gemeinen Deutschen ist das ja nichts. Und man kann von der Mehrheit der Bevölkerung schließlich nicht erwarten, dass sie sich selbst um ihre Alten, Behinderten oder aus sonstigem Grund einer intensiveren Zuwendung bedürfenden Freunde oder Familienangehörigen kümmern. Dennoch wird sich auch später am Gehalt nach obenhin nichts ändern. Denn die Wirtschaft hat keinen Platz für Soziales. Im Grunde ist es doch so: Wer in unserem aktuellen Wirtschaftssystem mit Menschen arbeitet, wird extrem mies bezahlt. Wer hingegen mit Gütern arbeitet - wie der Name schon sagt - gut.
Da freue ich mich schon auf die ganzen alten Sacknasen, die aktuell jeglicher Hoffnung der Pflegekräfte auf mehr Gehalt oder gar zusätzliches Personal noch mehr vollgepackte Windeln in den Weg legen. Wenn die dann eines Tages selbst von ihren eigenen undankbaren Bälgern ins Altenheim verfrachtet werden und dort in ihrer eigenen Scheiße sitzen und sich denken: "Hätten wir doch bloß mehr Geld in die Pflege gesteckt", werde ich auf meinem Balkon sitzen und sie via Video-Chat freundlich lächelnd fragen, ob sie sich schon wohnlich eingelebt haben.

Die Pflege attraktiv machen? Wozu? Herr Spahn hat ja gerade viel zu tun, ich weiß. Aber: Die Pflege ist essenziell! Das war sie, das ist sie und das wird sie immer sein. Daher wäre es schade, wenn sie ausstirbt (bzw. eher verblutet). Die von Bund und Ländern beschlossenen Bonuszahlungen von bis zu 1500€ sind definitiv ein Anfang. Damit ist dem potentiellen Nachwuchs aber auch noch keine Karotte vorgehalten. Insofern werden wir um langfristige und entsprechend hoch veranschlagte Mittel für die Pflege nicht drum herum kommen. Und damit ist auch wirklich in die Pflege gemeint und nicht in die Unternehmen dahinter. Allein schon die Bezeichnung soziales Dienstleistungsunternehmen - zwei Wörter, die kein anständiger BWL-Student jemals in einem Satz korrekt aussprechen könnte - kotzt mich an. Naja. Aber eigentlich wollte ich nicht beim Klatschen stören. Das heißt: Wird überhaupt noch geklatscht...?

~ Philipp Nechterschen, 30. Mai 2020